Mai? Mai! Die Zeit vergeht wie im Flug aber Hurra, endlich ist der Frühling da. Die Tage sind länger und wo man nur hinsieht, blüht, surrt, zwitschert und duftet es.
Wenn man hier am Land aus dem Fenster sieht, stellt man fest: Es ist Wachswetter. Einmal umgedreht und der Baum, der eben noch blühte, hat seine Blüten abgeworfen und sich dafür in ein knietsch grünes Blätterkleid gehüllt. Die Wildkräuter sind plötzlich kniehoch und Pflanzen, die man für immer erfroren geglaubt hat, kriechen doch noch mutig aus der Erde. Auch beim Interview Projekt findet momentan ein Wachstumsschub statt.
Nachdem ich beschlossen und verkündet hatte, es abzuschließen, meldete sich das Bauchgefühl zu Wort. „Warte noch ein bisschen.“, meinte es.
Na gut, dann warten wir eben noch ein bisschen. Rennt nichts davon, dachte ich mir. Ich lehnte mich zurück, tippte den unsichtbaren Cowgirlhut aus der Stirn, schob den müden Hinterkopf in die verschränkten Hände, überkreuzte die imaginären Stiefel auf dem Schreibtisch, und beobachtete den Bussard dabei, wie er Kreise übers Feld zog.
Ich entspannte mich. Und dann passierte genau das, was immer passiert, wenn ich mich entspanne. Ich bekam neue Einfälle und Ideen. Fäden warfen sich von einem Punkt zum anderen und zogen so weiter herum.
Das Netz, das sich durch die Arbeit an diesem Projekt wie von selbst zu weben scheint, erhielt durch diese Entscheidung zu warten, mehr Raum.
Denn wie der Zufall so will, bekam ich ungefähr zur selben Zeit ein Mail von Pam aus Kalifornien. Neben meiner, war oben noch eine weitere Mailadresse angeführt. Der Inhalt lautete kurz und knackig: „Sie macht auch ein Buch über Frauen. Sprecht miteinander!“
Nachdem ich den Namen der Kollegin herausgefunden hatte, schrieb ich sie an und erfuhr so mehr über Nitza Agam, die das Buch The Lemon Tree, eine Sammlung von Essays und Kunstwerken von Frauen aus ihrem Umfeld, herausgebracht hat. Neugierig geworden, bestellte ich das Buch und noch bevor es im Briefkasten landete, begannen wir, uns regelmäßig per E-Mail über unsere Projekte und Leben auszutauschen. Wir stellten spannende Parallelen fest und bald wusste ich, dass es schön wäre, sie für mein Projekt zu gewinnen. Ich fragte sie, und sie sagte, zu meinem Entzücken, trotz vollgepacktem Terminkalender, zu.
Seit längerem visualisiere ich regelmäßig, wie ich nicht nur Pauline, sondern auch den Teilnehmerinnen ihre Exemplare persönlich überreiche. Diese Vorstellung gibt mir in erschöpften Momenten den nötigen Antrieb, an der Umsetzung weiterzuarbeiten. Zudem hat oben genannte Pam großzügiger weise vorgeschlagen, in ihrer Boutique Successories in Pacifica, südlich von San Francisco, eine Buchparty zu schmeißen.Wann immer das sein wird, ich freue mich schon darauf. Auch weil ich viele liebe Menschen wiedersehen und spätesten dort Nitza persönlich kennenlernen werde.
Eine weitere Teilnehmerin aus Kalifornien hat sich zum Projekt dazugesellt. Nachdem ich Gas Station Etiquette von Iris Berry aus L.A. gelesen hatte, war für mich klar, dass ich sie gerne dabeihätte. Ich schrieb sie an und zu meiner Freude sagte sie zu. Wir vereinbarten ein Zoom Gespräch an einem Sonntagvormittag in Los Angeles, bzw. Abend in Meiningen Downtown. An diesem Tag fühlte ich mich kränklich und müde. Ich hatte Hals- und Kopfschmerzen und ein bisschen Fieber. Am liebsten hätte ich den Nachmittag und Abend mit einer Mütze Schlaf verbracht. Doch so kurzfristig abzusagen, schien mir unhöflich. Außerdem hatte ich mich sehr auf das Gespräch gefreut und dass Iris sich an einem Sonntag Zeit dafür nahm, bedeutete mir viel. Aufgefüllt mit Tee und Paracetamol setzte ich mich vor den Bildschirm. Sobald ich mit Iris ins Gespräch kam, vergaß ich meine Zipperleins.Sie ist Autorin und Verlegerin bei Punk Hostage Press und ihr Glück über diese Gemeinschaft an Schriftstellern, die sich dort gebildet hat und sich gegenseitig nährt und unterstützt, steht ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. Auch die Freude, Menschen zusammen zu bringen und zu vernetzen. An der Stelle fand ich mich wieder und sagte ihr das auch. Wir waren uns einig. Obwohl oder gerade, weil das Schreiben sehr viele einsame Stunden mit sich bringt, kommen Schreib- und andere Projekte erst durch die Zusammenarbeit, den Austausch, das Miteinander ans Tageslicht.
Noch den Nachklang des schönen Interviews im Ohr tragend, rückte der rote Faden, der durch dieses Gespräch nochmals an Leuchtkraft gewann, ein Stück weiter in den Vordergrund.
Sobald dieses Buch veröffentlicht ist, werden sich sowohl die Teilnehmerinnen untereinander als auch die Leserinnen mit den Interviewten vernetzen können- sei es nur durch Ideen und Haltungen, die Inspiration schenken können.
Das ist das Feuer, welches diesem Heißluftballon hier den Antrieb gibt.
Und so schlenkert auch der Frust, dass es nicht, wie ursprünglich geplant, zum 21. Geburtstag meiner Tochter fertig wurde, in den Hintergrund.
Aufs Bauchgefühl zu hören und das Ganze noch ein bisschen wachsen zu lassen hat sich jetzt schon bewährt. Ein paar wenige Anfragen sind noch im Äther und es wird sich zeigen, was sein soll und was nicht.
Bis es so weit ist, bewundere ich, was das Wachswetter im Mai alles zustande bringt.